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    Norbert (Alois Georg) Wagner (*12. Februar 1929 in Straubing) ist am 27. Dezember 2023 in Würzburg verstorben. Nach dem Studium der Fächer Deutsch, Geschichte und Englisch an den Universitäten Regensburg, München und Würzburg wurde er in Würzburg mit einer Dissertation zu den ersten Kapiteln der ›Vǫlsunga saga‹ bei Franz Rolf Schröder promoviert. Er habilitierte sich 1965 mit einer 1967 publizierten Arbeit zu den ›Getica‹ des Jordanes bei Kurt Ruh. Nach Oberassistenz (1965/66) und Universitätsdozentur für germanische Philologie und Altertumskunde mit besonderer Berücksichtigung des Altnordischen (1966-1972) wurde Norbert Wagner 1972 zum außerplanmäßigen Professor, 1978 zum Universitätsprofessor in Würzburg ernannt. Zum Ablauf des Sommersemesters 1994 trat er in den Ruhestand. An der ›Älteren Abteilung‹ des Instituts für deutsche Philologie unterrichtete Norbert Wagner hauptsächlich die alten germanischen Sprachen (Gotisch, Althochdeutsch, Altsächsisch, Altnordisch) und bot Seminare zur Onomastik (Personennamen und Ortsnamen), zu Runeninschriften und zur germanischen Heldensage an. Seine Lehrveranstaltungen waren stark vom Humboldt’schen Bildungsideal geprägt; die Einheit von Forschung und Lehre zeigte sich bei ihm vor allem darin, dass er seine aktuelle Forschung in den Lehrveranstaltungen thematisierte und mit den Studierenden diskutierte.

    Als Forscher hat Norbert Wagner ein äußerst umfangreiches Werk hinterlassen. Neben den beiden oben genannten Monographien und 73 Rezensionen ist hier die beeindruckende Zahl von 289 Aufsätzen (plus zwei Lexikonbeiträgen) zu nennen. Der Hauptteil seiner Publikationen ist namenkundlichen Problemen mit einer weiten zeitlichen Erstreckung von den frühesten Belegen germanischer Ethnonyme (zuletzt zu den Usipetern und Tenkterern) bis hin zu modernen Familiennamen wie dem von Edmund Husserl gewidmet. Diese Beiträge, die vordergründig einer – wie er es selbst gerne bezeichnete – »Abklärung« problematischer und ungedeuteter Namen dienten, gingen tatsächlich über onomastische Probleme weit hinaus, indem beispielsweise Lösungen zu ungeklärten Kurznamen im althochdeutschen Personennamenbestand zur Erweiterung des althochdeutschen Wortschatzes beitrugen. Aus dem Bereich der germanischen Laut- und Formenlehre stammen wichtige Beiträge zur Datierung der zweiten Lautverschiebung, zu den gotischen Lauten ƕ, q, ai, au und zur Endung von ahd. taga (-ā). Ebenso erforschte er graphematische Phänomene wie König Chilperichs Buchstaben und das Phänomen der Aufzeichnung germanischer Namen durch romanische Schreiber wie dem sogenannten Astronomus oder dem Geographus Ravennas. Ein weiteres wichtiges Forschungsfeld waren Runeninschriften im älteren Fuþark wie die von Pforzen und Nordendorf. Sein Interesse an Texten galt vor allem Zeugnissen der germanischen Heldendichtung, hier sind Beiträge zur Genese von Heldensage wie die Wandlung von Theoderichs Eroberung zu Dietrichs Flucht und mehrere Aufsätze zum ›Hildbrandslied‹ zu nennen.

    Norbert Wagner war ein stets geistig hellwacher Denker, pointiert und prägnant in seinem Ausdruck sowie scharf im Urteil über die Erkenntnisse seines Fachgebiets. Mit ihm, der zuletzt die ›Decem libri historiarium‹ des Gregor von Tours (natürlich im lateinischen Original) zur »Entspannung« las, verliert die germanische Philologie einen ihrer besten und profiliertesten Fachvertreter.

    Wolfgang Beck / Roland Schuhmann

    Das Institut für deutsche Philologie hat einen seiner früheren Lehrstuhlinhaber verloren. Günter Hess ist im vergangenen Dezember im Alter von 83 Jahren in Berg am Starnberger See verstorben. Er hatte den Lehrstuhl für Neuere deutsche Literaturgeschichte II (heute Literatur- und Ideengeschichte) von 1983 bis 2000 inne.

    Hess vertrat das Fach buchstäblich in seiner ganzen Breite – von der frühen Neuzeit bis zur Gegenwart. Seit seiner Münchner Dissertation (betreut von Hugo Kuhn und Walter Müller-Seidel) über die deutsch-lateinische Narrenzunft des 16. Jahrhunderts von 1970 profilierte er sich als einer der in Deutschland führenden Humanismus- und Renaissanceforscher. Studien und Editionen zu Jacob Balde, Jacob Bidermann u. a. machten ihn im Fach international bekannt. Sie sind in dem prächtigen Band „Der Tod des Seneca“ von 2009 versammelt. Die Aufsätze zeigen die interdisziplinäre Ausrichtung von Hess‘ Arbeiten: komparatistische Philologie, Kunstgeschichte und Kulturgeschichte werden darin feinsinnig und sprachlich elegant verbunden. Der Aufmerksamkeit für das Zusammenwirken von Text und Bild gilt dabei die Forschung von Günter Hess an immer neuen Beispielen der neulateinischen und deutschen Literatur. Ein weiterer monumentaler Sammelband, 2011 erschienen, greift weit ins 18. und vor allem 19. Jahrhundert aus: „Panorama und Denkmal. Studien zum Bildgedächtnis des 19. Jahrhunderts“ heißt er. Er zeigt die enge Verbindung von philologischer Textwissenschaft und kulturgeschichtlichen Forschungen im Werk von Hess. Studien zur Walhalla finden sich darin, ebenso wie mediengeschichtliche zur Mode der Panoramen oder zum Festzugs- und Denkmalkult, aber auch solche zu Gottfried Kellers poetischer Malerei, zu Stielers Münchner Goethe-Porträt wie zu Petrarca im 19. Jahrhundert, zu Wilhelm Busch und zu Büchmanns „Citatenschatz“.

    Die „Werkstattgespräche“ mit Autorinnen und Autoren der deutschen Gegenwartsliteratur sind fester Bestandteil von Lehre und Forschung an unserem Institut. Sie wurden von Günter Hess 1985 ins Leben gerufen und bis zu seiner Pensionierung 2000 regelmäßig betreut. Hess hatte den Ruf eines exzellenten Gastgebers – freundlich, kundig und beharrlich fragend, mit offenem Ohr auch fürs Unerhörte. Schriftsteller aus Ost- und Westdeutschland gaben sich bei ihm vor und nach der Wende die Ehre: Sarah, Kirsch etwa, Günter de Bruyn, Ulrich Plenzdorf und Horst Bienek, Walter Kempowski, Robert Gernhardt, um nur einige zu nennen. Die damals noch in der UB stattfindende Lesungen waren meist überfüllt: 1987/88 kamen zu Martin Walser oder Ulrich Plenzdorf über 700 Besucher. Die Veranstaltungen waren Stadtgespräch und wurden zu jener Zeit auch noch in der Presse wahrgenommen. Reiner Kunze schrieb einmal: „Nach Würzburg komme ich gerne“. Peter Rühmkorf notiert in sein Tagebuch:

    „Ob Forschung, Lehre, Lyrik, Jazz,

    ob Theorie und Praxis,

    ich seh da gar nichts Trennendes,

    wir alle weben, Günter Hess,

    an einer Geistgalaxis!“

     

    Helmut Pfotenhauer, für das Institut für deutsche Philologie


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